Porträt Matthias Ditscherlein

Man sagt, die Fähigkeit, in einer gegebenen Situation glücklich zu sein, hängt, außer von äußeren Umständen, auch von eigenen Einstellungen und Bemühungen ab.

Matthias Ditscherlein spricht viel von Glück, Zufällen und davon, dass er in der Situation sei, von seiner Arbeit als Filmemacher und Kameramann gut leben zu können. Keine Selbstverständlichkeit in der Branche. „Ich weiß nicht, ob mir das jemand glaubt, aber für mich ist Geld nicht so die Triebfeder meines Handelns. Ich mache Projekte, weil Sie mich in erster Linie interessieren. Daraus ist über die ganzen Jahre ein großes Netzwerk entstanden, mit dem ich gemeinsam Projekte umsetze und woraus ich meine Aufträge beziehe.“

Irgendwie fing bei Matthias alles ganz klassisch an: Erst die Schule, Abitur und dann der Zivildienst. „Film spielte bei uns in der Familie immer eine Rolle, allen voran mein Vater mit seiner Super 8 Kamera. Später kaufte ich vom Konfirmationsgeld eine Mini DV-Kamera, womit mein Kumpel und ich viel experimentierten. Ich hab mich für das Filmemachen schon die ganze Zeit interessiert, aber ich war mir noch nicht so richtig sicher, ob das ein Beruf für mich sein könnte.“

Die nächsten Schritte ging Ditscherlein gemeinsam mit seinem Heimatsender, dem Vogtland Regional Fernsehen (VRF). Dennoch wollte Ditscherlein studieren. „Kommst mal woanders hin und wohnst woanders“. Aber „wie immer war ich […] ein bisschen spät dran mit den Bewerbungen und dann war die Frist vorbei.“ Ditscherleins Lächeln verrät, dass er im Nachhinein glücklich darüber ist, nicht in Mittweida gelandet zu sein.

Stattdessen erfuhr er durch seine damalige Chefin Babett Ludwig vom VRF, vom neuen dualen Studiengang Fernsehproduktion Fachrichtung Journalismus an der FAM in Leipzig.

Die richtige Zündung für die Kameraarbeit, erinnert sich Ditscherlein, kam, als er von digitalen Spiegelreflexkameras zum Filmen hörte. In ihm war zunehmend der Wunsch gereift, mehr zu gestalten, und dass er „nie Dokumentarfilme über Monsterbagger oder Riesentunnel machen [wollte], sondern lieber über Leute erzählen [wollte].“ Als dann noch eine befreundete Redakteurin vom MDR mit einer Geschichte über Frauen im Bergbau auf ihn zukam, weil sie noch den gestalterischen Part suchte, nutzte er seine Chance. Danach wusste ich, dass „ich dieses Zeug weitermachen [will]“.

Das Weitermachen wurde mit dem Dokumentarlangfilm „Hadi Tschüss“ schon bald ziemlich konkret, den er gemeinsam mit seiner Partnerin Anne Denkinger drehen sollte. Wie er zu der Idee, seinen Protagonisten und zu seinem ersten langen Dokumentarfilm kam, beantwortet mir Ditscherlein vorerst nur mit: „In der Türkei.“ Ditscherlein bewarb sich zuvor für einen Europäischen Freiwilligendienst. Er wurde ausgewählt und nach Izmir geschickt, um innerhalb eines Jahres ein Filmprojekt zum Thema „Gemeinsame Zukunft“ umzusetzen.

„Ich hielt es für ziemlich vermessen, mir vorher einen Plan zu machen, ohne jemals länger in der Türkei gewesen zu sein. Deshalb dachte ich mir, wenn ich jetzt mit so einer konkreten Sache schon hinkomme, da kann ich ja nur enttäuscht werden. Ich dachte, vor Ort, wenn ich Leute treffe und mich mit denen unterhalte, türkisch lerne, dann fliegt mir schon etwas zu. Und das ist ja dann auch passiert.“

Mit 60 Stunden Filmmaterial im Gepäck und „schwerem Herzen“ ging‘s nach einem Jahr Türkei erstmal wieder nach Leipzig, von wo Denkinger und Ditscherlein die Postproduktion über Crowdfunding finanzierten. „Wir waren sogar leicht überfinanziert. Das war echt cool. Neben dem Geld hat uns das übrigens auch noch viel Öffentlichkeit insbesondere bei deutsch-türkischen Zeitungen eingebracht.“

Nach seiner Hochzeit in diesem Jahr will Ditscherlein seinen nächsten langen Dokumentarfilm beginnen. Ursprünglich wollte er über türkische Profimusiker in Deutschland erzählen, doch der politische Umschwung in der Türkei und die Flucht vieler türkischer Intellektueller vor dem Regime Erdogans haben seinen Blick verändert: „Ich kann natürlich auch einen Film machen über etwas vollkommen Unpolitisches, aber ich denke, dass die Leute eine Stimme verdient haben. Ich will ein bisschen Akzeptanz schaffen, warum sie überhaupt kommen.“

Diesmal will Ditscherlein mehr Zeit in die Vorbereitung seines Projektes stecken und Förderung an Land ziehen, „denn man merkt schon, dass man doch ein bisschen Geld benötigt, und am besten von Anfang an. Andererseits sage ich mir, wenn es kein Geld gibt, mach ich‘s trotzdem. Ich glaube, ich muss es irgendwie machen.“

Matthias Ditscherlein ist Kippelsteiner Filme. Hierzu zählt er unbedingt die regelmäßige Zusammenarbeit mit Freunden aus Leipzig, aus dem Vogtland und mit seinen Kollegen von Eulefilm aus Meißen, die sich auf Wissenschaftsfilme spezialisiert haben. Dabei betont er, dass ein Projekt immer nur mit vielen Leuten zusammen entstehen kann, deswegen funktioniere Kippelsteiner Filme auch eher als Netzwerk.

Auf meine Frage hin, was für ihn Glück ausmache, lächelt Ditscherlein und meint: „Man hatte mir mal gesagt, ich hätte mich noch nie richtig anstrengen müssen in meinem Leben, das fand ich eigentlich ganz schön fies. Es gibt mit Sicherheit Leute, die viel, viel mehr können als ich, die haben aber vielleicht nicht das Glück, im richtigen Moment die richtigen Leute zu treffen.“

Manchmal ist es wohl nicht nur die Idee, die einen antreibt, sondern die Menschen, die man zufällig zur richtigen Zeit trifft. Bei Ditscherlein scheint das so.

Autorin: Jana Endruschat