Porträt Susann Arnold

„It’s best when you don’t plan what you do and just let it come to you. You play with some images, some sequences of story, then things get interesting.” (Priit Pärn, estnische Zeichentrick-Koryphäe)

So oder so ähnlich stelle ich mir Su Arnolds Herangehensweise vor, wenn sie den Wurm dehnt, dreht und auf einem Stuhl in einem Café so lange drapiert, bis es gefällt und ihrem Gedanken als „schrullige Type aus der Stadt mit Kaffe und Kippe“ am nächsten kommt.

Die Illustratorin klammert sich nicht an die klassische Dramaturgie und damit an bewährte Sehgewohnheiten. „Ich finde es ja sehr spannend, wenn Dramaturgie anders ist und die Zuschauer ihren Komfortbereich verlassen müssen. Natürlich irritiert das, was ich gut verstehen kann. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass man lernen kann, künstlerische Animationsfilme zu gucken.“

Arnold wollte nie Kunst studieren. Irgendwas Soziales hatte sie sich vorstellen können, aber dann war sie sicher, dass man das auch „hintenrum“ machen kann, wie eben übers Zeichnen.

Nachdem sie bei der Hochschule für Grafik und Buchkunst unkompliziert durchs Auswahlverfahren kommt, beginnt sie, „alle Grundkurse“ zu machen, die möglich sind. „Ich wollte experimentieren und dachte, ich befände mich jetzt in einem Labor für Menschen, die die Welt verändern wollen.“

Doch so richtig wollte ihr das Kunststudium nicht gefallen; sie merkte, dass es ihr an Ausdrucksmöglichkeiten fehlte, ihre Gedankenwelten sich nicht auf einem Blatt Papier darstellen ließen und ein gesellschaftskritischer Diskurs zwischen ihren Kommilitoninnen sich einfach nicht entwickeln wollte.

Aus ihrer Unzufriedenheit heraus beginnt Arnold sich kreativ zu bewegen und findet zum Animationsfilm. „Ich hatte über die Jahre so viele Charaktere entworfen, aber sie nie in ein passendes Setting einfügen können. Mit Film konnte ich sie endlich zum Leben erwecken und ihnen einen Lebensraum schenken.“

Arnold beginnt daraufhin ein Gaststudium an der UDK Berlin, besucht Kurse zur Montage, übers Drehbuchschreiben, zur Animation und bereichert sich mit viel Filmtheorie: Ihr Ziel ist die EKA – die staatliche Kunstakademie in Tallinn.

Auf meine Frage hin, wieso sie es gerade nach Estland zog, erzählt mir Arnold die absurde Geschichte von einem verpassten Bus irgendwo in Norwegen, der Bibliothek, in der sie sieben Stunden auf den nächsten wartete und dem großen Glück, dort auf Priit Pärns Buch gestoßen zu sein, was sie zunächst als das Buch mit den „hässlichsten Figuren“, die sie je gesehen habe, ansieht, die aber dann eine so gewaltige Faszination auf sie ausüben, dass sich daraus eine ganze Lebenswendung entwickelt. „Ich liebe es ja, wenn alles so zufällig passiert. Das ist auch das Einzige, was sich für mich richtig anfühlt.“

Für Arnold ist künstlerischer Animationsfilm eine radikale, ausdrucksstarke, utopische Kunstform, die sehr viel kann. Mit der Idee im Kopf, dass das Kino einen zum Fühlen erzieht, entwickelt Arnold 2014 den 13-Minüter „Animals“, der das Alltagsleben von Tieren in der Stadt zeigt. Einerseits bietet die Abstraktion von Tieren „mehr Freiheiten“, andererseits reizt Arnold das Spiel zwischen Anpassung und dem Durchbrechen ihres Instinkts; in dieser Fantasiewelt, zu der Arnold die Animationswelt generell zählt, sei das Absurde offensichtlicher und werde nicht gleich hinterfragt.

Su Arnold ist davon überzeugt, dass die Entscheidung, künstlerischen Animationsfilm zu machen immer damit einhergehe, unter „delikaten“ Bedingungen zu leben, Nebenjobs anzunehmen, wie Würstchen grillen auf einem Volksfest , oder auf gute Füllungen beim Zahnarzt zu verzichten. Doch „ich weiß von Leuten, die richtig gute Filme machen, und meiner Meinung nach richtig Talent haben. Von denen gibt‘s dann aber auch nur ein, zwei, drei Filme und dann hören die wieder auf, weil sie überlegen, von was sie leben sollen.“

Mut machen, anregen und besonders das Weitermachen liegen Arnold am Herzen. Die Tatsache, dass es diese talentierten Filmemacher gibt, deren Animationsfilme nahezu ungesehen bleiben, missfällt ihr und sie beginnt 2013 unter dem Label LÆ.nimation auch als Trickfilmkuratorin zu agieren.

„Angefangen habe ich in der Cinémathèque in Leipzig mit dem Programm ‚Animations from the insight of Leipzig’s Academy of Fine Arts‘.“ Mittlerweile zeigt sie seit 2016 Vorfilme und organisiert abendfüllende Trickfilmspecials, wie das Gruselspecial. „Ich habe auch schon mit zwei weiteren Kinos in Leipzig und Berlin zusammengearbeitet und strebe nun Kinos in Dresden, Chemnitz, Halle und Erfurt an. Bei diesen Städten denke ich, dass diese Art von Filmen, die ich zeige, perfekt zu ihnen passen. Gerade weil‘s in den Filmen viel darum geht, dass man seine Existenz reflektiert.“

LÆ.nimation soll wachsen und sich als Plattform für internationale Nachwuchskünstler und künstlerischen Animationsfilm etablieren. Vor allem aber soll es die Möglichkeit schaffen, künstlerischen Animationsfilms zu verbreiten. Darüber hinaus schwärmt Arnold von einem Slot im Fernsehen und natürlich von einer angemessenen Honorierung für die Trickfilmkunst.

Arnold will zeigen, was ein Trickfilm alles sein kann. Wichtig für sie ist dabei, mit anderen ins Gespräch zu kommen, Pionierarbeit zu leisten und vor allem dazu aufzurufen, in das, woran man glaubt, zu investieren. „Ich dachte vor zwölf Jahren, ich stecke in gar nichts Geld rein. Ich werde mich auf nichts bewerben, und wenn‘s fünf Euro kostet. Irgendwann dachte ich, Scheiß drauf, man muss richtig investieren, und das habe ich auch getan. Bei manchen Sachen muss einem auch klar sein, dass es ein bisschen dauert, aber irgendwas kommt dann auch zurück.“

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Autorin: Jana Endruschat