Im Rahmen des Landesprogramms zur „Sicherung des audio-visuellen Erbes in Sachsen (SAVE)“ konnten in den vergangenen Jahren auch 225 Film- und Tonmedien aus den Beständen der Städtischen Museen Dresden digitalisiert werden. Doch was ist auf dem Material eigentlich zu sehen oder zu hören? Mitunter ist die Spurensuche Detektivarbeit.
Bei Umzugsvorbereitungen Anfang des Jahres 2020 fanden Mitarbeiter der Technischen Sammlungen Dresden in ihren Beständen mehrere Filmrollen aus hochentflammbarem 35-mm-Nitrocellulose-Filmmaterial. Von wem die Filmrollen stammten, wann sie in das Museum kamen und wen sie abbilden, ist nicht bekannt. Die entsprechenden Informationen sind vermutlich bei Umlagerungen in der Sammlung irgendwann verlorengegangen. Aber natürlich wollten die Mitarbeiter*innen des Museums gerne wissen, was auf den alten Filmen zu sehen ist. Doch schon das Abspielen des gefährlichen Materials mit historischer Technik wäre zu riskant gewesen und eine Digitalisierung mit hauseigenen Mitteln war ebenfalls nicht möglich. Die Sicherung der historischen Nitro-Filme gelang aber am Ende doch noch – dank einer Kooperation mit dem Landesprogramm zur „Sicherung des audiovisuellen Erbes in Sachsen (SAVE)“.
Die Spur führt nach Meißen
Mit den nun wieder sichtbar gewordenen Filminhalten begann die eigentliche wissenschaftliche Arbeit. Durch wiederholt auftauchende Personen und Orte lassen sich mindestens sechs Filme einem gemeinsamen Konvolut zuordnen. Ort des Geschehens ist Meißen. Als vielleicht wichtigster Schlüssel erscheint eine Firmenbezeichnung, die mehrfach an Gebäuden und Lastkraftwagen auftaucht: E. Wieland. Informationen zu einem Herrn Wieland und seiner Firma fanden sich schlussendlich in alten Adressbüchern aus Meißen. Dort erscheinen ein Karl Emil Wieland und seine Baumaterialienhandlung erstmals 1906 unter einer Adresse im heutigen Stadtteil Niedermeisa. Und tatsächlich: Dass die Firma Wieland mit Baustoffen zu tun hatte, ist aus den Filmaufnahmen klar ersichtlich.


Die damalige Bebauung existiert zwar nicht mehr, ein Vergleich von in den Filmen zu sehenden angrenzenden Gebäuden mit der aktuellen Situation bestätigt aber: Einige der Szenen spielen auf dem Hof des Baustoffhändlers Emil Wieland in Niedermeisa, andere in der unmittelbaren Umgebung.
Eine der in den Filmen vorkommenden Personen, ein älterer Herr mit Spitzbart, Kneifer und steifem Kragen, ist möglicherweise Emil Wieland. Er bewegt sich selbstbewusst und in einer einem Geschäftsmann der damaligen Zeit entsprechenden Kleidung auf dem Gelände der Baustoffhandlung.
Rudolf Wieland und der große Unbekannte
Bei einem weiteren auftretenden Mann können wir relativ sicher sein: Es handelt sich sehr wahrscheinlich um Rudolf Wieland, dem Alter nach mutmaßlich ein Sohn von Emil. Im Adressbuch von 1926/1927 wird Rudolf Wieland als Kaufmann und Mitinhaber der Firma E. Wieland genannt. Gemeldet war Rudolf Wieland auf der heutigen Leipziger Straße 41 in Meißen. Das Haus existiert noch immer und der mutmaßliche Rudolf Wieland tritt in Aufnahmen vor dem besagten Gebäude mehrmals recht eindeutig in der Pose des Bewohners auf. Eine sehr häufig vorkommende wenig jüngere Frau ist offenbar seine Gattin, die beiden hatten zum Zeitpunkt der Aufnahmen zwei kleine Kinder, einen Jungen und ein Mädchen.
Völlig unklar ist die Identität eines Mannes, etwa im Alter von Rudolf Wieland, mit auffällig schlechten Zähnen. Sein liebevoller Umgang mit den Kindern lässt vermuten, dass er zum familiären Umfeld gehört. Vielleicht ist er ein Bruder Rudolf Wielands oder ein Verwandter von dessen Frau. Und ist er eventuell der Mann, der bei anderen Aufnahmen hinter der Kamera steht?


Der Entstehungszeitraum des dokumentarischen Materials lässt sich aufgrund von in den Filmen gezeigter Kleidung, Frisuren und Technik eingrenzen. Die Baustoffhandlung Wieland bestand zwar mindestens seit 1906, die Filmaufnahmen sind aber rund 20 Jahre später entstanden. Das trifft sich mit dem Adressbucheintrag zu Rudolf Wieland von 1926/27.
Auftritt Hans Schomburgk
Und dann gibt es noch eine Überraschung – mit Promi-Faktor. Mehrfach zu Besuch bei den Wielands ist Hans Schomburgk (1880-1967), in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts der deutsche Afrikaforscher und Tierfilmer. Die Beziehung zwischen ihm und den Wielands bleibt allerdings im Dunkeln, auch weil wir letztendlich bislang sehr wenig über letztere wissen.
Überhaupt ist der Forschungsstand zu den Aufnahmen aus dem „Konvolut Wieland”, das in den Technischen Sammlungen Dresden erhalten ist, bislang immer noch sehr dürftig. Entstanden sind die sechs Filme offenbar innerhalb weniger Jahre. Ob der unbekannte Urheber des Materials über einen längeren Zeitraum wirkte und weitere Filme hinterlassen hat, ist bislang unklar.
Das letzte „Lebenszeichen“ der Firma Wieland ist ein Dokument aus dem Sächsischen Staatsarchiv von 1931/32 – es vermeldet den „Konkurs über das Vermögen der offenen Handelsgesellschaft (Baustoff-Großhandlung) Emil Wieland, Meißen“. Über das weitere Schicksal der Familie ist bisher wenig bekannt.
Das „Konvolut Wieland“ ist über die Mediathek der SLUB zugänglich. Wissen Sie mehr über diese Familie? Dann wenden Sie sich gerne an die Technischen Sammlungen Dresden und teilen Sie ihr Wissen. Kontakt: daniela.kratz-groenwald@museen-dresden.de
14. Juni, Museumsnacht, Stadtmuseum Dresden (Festsaal), 18-24 Uhr:
„Bewegte Bilder, verborgene Geschichten“
kommentierter Zusammenschnitt des Konvolut Wieland
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