Eine Rückblick von Charlotte Steuber auf die 16. Netzwerkveranstaltung des Filmverbands Sachsen in Leipzig.

Mit Hinblick auf das Thema »Filmemachen in Sachsen nach Corona« versammelten sich Sachsens Medienschaffende am 31. August im Mediencampus der Villa Ida in Leipzig. Pünktlich zum 16. Filmsommer präsentierte sich der gastgebende Filmverband Sachsen dort in einem neuen Gewand, bestehend aus neuem Corporate Design und neuem Webportal.

Nach der Begrüßung durch den 1. Vorstand des Filmverbandes, Joachim Günther, beleuchteten vier Diskussionsrunden Sachsens Filmlandschaft genauer. Die Thüringer Filmproduzentin Tanja Georgieva-Waldhauer brachte mit einem Impulsvortrag die Brisanz der aktuellen Situation für regionale Filmschaffende durch persönliche, beunruhigende Erfahrungen auf den Punkt.

Denn wenn eine Berufsoptimistin sagt, dass die Filmproduktionslandschaft an der »Schwelle einer potentiell toxischen Abwärtsspirale« steht, von Weltfirmen erzählt, welche in Zahlungsverzug sind, und der Produzentenverband davon ausgeht, dass die Hälfte aller Produktionsfirmen die nächsten zwei Jahre nicht überleben wird – dann wird klar, dass sich mehr als dringend etwas ändern muss. Allem voran sind das die »erdrückende Bürokratie« und die international nicht Schritt halten könnenden »politischen Rahmenbedingungen für die freie Filmproduktion« in ganz Deutschland.

Mit dem Appell zur Zusammenarbeit zurückzufinden und die ohne Zweifel vorhandenen regionalen Stärken auszuspielen, beendete die Rednerin unter Applaus ihren Vortrag und verstärkte damit die Hoffnung, in den darauffolgenden Gesprächsrunden gemeinsame Lösungsvorschläge zu finden.

Das Panel »Kino als Ort« bot die Möglichkeit sich über das Befinden der Kinos nach der Pandemie auszutauschen. »Wir leben noch«, so Katharina Repp, Kinobetreiberin aus dem Erzgebirge. Über das Verlernen und Wiederanerziehen von Kino und den Vorteilen, welche der Kinosessel gegenüber dem heimischen Sofa bietet, diskutierten zudem Filmemacher Tillmann König, Kinobetreiberin Caren Pfeil und Verleiherin, Produzentin und Regisseurin Julia Irene Peters.

Im zweiten Panel »Sachsens Fachkräfte« wurde die Bühne für vier junge Absolvent:innen von sächsische Fachkräfteprogrammen geräumt, welche von ihren Erfahrungen mit diesen Programmen berichteten. Im Zuge der Öffnung des Panels kam es zu einem offenen Austausch zwischen einigen bereits lang mitmischenden Filmemacher:innen und den jungambitionierten Absolvent:innen. Es ist definitiv ein Spagat: einerseits muss der dringend nötige Enthusiasmus für das Handwerk Filmemachen gefördert, aber andererseits sollte auch gewarnt werden vor etwaigen finanziell und kräftemäßigen Verausgabungen, welche in einem frustrierenden Berufsalltag enden können. Die Lösung schien dann laut Moderatorin Claudia Euen doch auf der Hand zu liegen: »einfach später frustriert werden«.

Einen Einblick in viele verschiedene Gewerke und deren aktuelle Situation bot der Praxisaustausch unter der Fragestellung: Wie sieht es denn gerade für aktuelle Filmprojekte aus? Dabei kamen höchst unterschiedliche Realitäten zum Vorschein. Auch wenn Filmproduzent Holm Taddiken von neuen Herausforderungen durch die steigenden Kosten konfrontiert ist, so arbeitet es sich seiner Meinung nach »vorzüglich«. Drehbuchautorin und Regisseurin Alice von Gwinner erlebt mit dem Projekt Mitmalfilm gerade eine Welle des Aufschwungs – unter Applaus erzählte sie von ausverkauften Lagern und aufgegangenen Plänen. Tonmeister André Klar hingegen »treffen gerade alle Krisen«. Seine Mindestgagen sind öffentlichrechtlichen Auftraggebenden zu teuer – unter anderem weil es in Sachsen zu einfach ist, Tonmenschen eine Produktion für 170 Euro machen zu lassen. Leon Brandt verglich die Situation nach seinem ersten Fernsehprojekt als Kameramann mit einem »freien Fall« und erzählte von den Schwierigkeiten sich in dieser Flaute über Wasser zu halten. Auch Drehbuchautor:in Lion H. Lau hat die Flaute erreicht: »Ich bin großflächig arbeitslos«. Da Lion in den derzeitigen großen Produktions-firmen der Region keine Zukunft für Geschichten aus queerer Perspektive sieht, arbeitet Lion kaum im Raum Mitteldeutschland.

Das ist sie also, die akute Krisensituation für viele Medienschaffende hier in Sachsen. Unzählige Beispiele, erschreckende Zahlen, offensichtliche Kritik und reichlich Gesprächsstoff hatten Dr. Claudia Maicher, Dr. Christiane Schenderlein, Dr. Markus Görsch, Klaus Brinkbäumer und Joachim Günther für die Fishbowl mit dem Titel »Das Filmland Sachsen« nun auf dem Tisch liegen. Was können Politik, Auftraggeber und Förderer denn nun tun, um die Filmschaffenden der Region zu unterstützen? Die unterschiedlichen Perspektiven auf das Filmland schienen zwar insbesondere in Bezug auf die Entwicklung der vergangenen Jahre überwiegend von Optimismus geprägt, doch gleichzeitig waren sich alle einig, dass es noch unfassbar viel zu tun gibt.

Was Sachsens Filmlandschaft definitiv fehlt, sind Aufträge. Der zukünftige Intendant des MDR verspricht diesbezüglich nun einen Neuanfang: bis 2030 sollen 70 Prozent der Produktionsgelder in die regionale Produzentenlandschaft fließen – aktuell sind es nur 42 Prozent. Klaus Brinkbäumer, Programmdirektor des MDR in Leipzig, hält diese Umsetzung für realistisch. Durch die in diesem Jahr neu gegründete Arbeitsgruppe »Regionale Kooperationen« will der MDR das Filmemachen in der Region attraktiver gestalten. Joachim Günther bezeichnete diese AG als eine derart noch nie dagewesenes »vielversprechendes und konkretes Gesprächsverfahren«. »Regionale Stoffe regional erzählen« – dieses Ziel stellte den Konsens dar. Ob Versprechungen dann auch wirklich zu konkreten Verfahren werden können, soll sich noch in diesem Jahr zeigen. Vonseiten der Kreativen wurde jedoch auch daran erinnert, dass eine 70-30 Quote nicht automatisch die Lösung für Probleme wie Diversitätsfragen und Grünes Drehen bieten werde.

Im Laufe der Diskussion wurde unter anderem die Notwendigkeit einer stärkeren Förderung der Kreativszene genannt, Vor-und Nachteile von Steueranreizmodellen und Regionaleffekten erörtert, an den Nachwuchs bei höheren Förderungen für weniger Projekte erinnert, immer wieder auf den Fachkräftemangel verwiesen und die Frage nach der Relevanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aufgeworfen.

Wie es bei einer Fishbowl üblich ist, blieb ein Stuhl am Tisch für etwaige Beiträge der Zuhörenden
leer. Diese Möglichkeit wurde rege genutzt und endete schlussendlich in einem Schlagabtausch zwischen MDR und MDM, die sich einiges zu sagen hatten. Dass Sachsens Filmlandschaft ganz viel richtig macht aber auch ganz dringend einen Weg aus der Krise herausfinden muss, zeigte der Filmsommer deutlich. Vor allem aber sollten Rundfunkanstalten, Förderer, Produzierende und Filmschaffende zunächst wieder einen Wegzueinander finden, um gemeinsam ein starkes Post-Krisen-Filmland zu kreieren.

Text: Charlotte Steuber | Fotos: Felix Adler

Der Filmverband Sachsen dankt alle Teilnehmenden für den intensiven Austausch und den Kooperationspartnern sowie Förderern für die Unterstützung.

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