Die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen wurde 1993 gegründet und ist mit ihrer speziellen Förderung für die Filmkultur aus Sachsen nicht mehr wegzudenken. Welche Schwerpunkte werden bei der Förderung gesetzt und welche Auswirkung hat die Corona-Pandemie für die Sparte? Der Filmverband Sachsen sprach dazu mit Stiftungsdirektor Dr. Manuel Frey und Robert Grahl, Referent Film, Soziokultur und spartenübergreifende Projekte.

Auslöser: Wie steht es um die Filmkultur, um das Filmschaffen in Sachsen?

Dr. Manuel Frey (MF): Allgemein ist mein Eindruck ein sehr guter. Mir ist aufgefallen, dass gerade der Filmbereich sich in den letzten Jahren positiv entwickelt hat. Das betrifft die Sichtbarkeit, aber auch die Professionalität der Akteure. Dazu hat sicher auch der Filmsommer des Filmverbands beigetragen, an dem wir uns seit Jahren kooperativ beteiligen.

Robert Grahl (RG): Das kann ich bestätigen. Der Filmbereich ist insgesamt eine gut aufgestellte Sparte. Der künstlerisch ambitionierte Film ist ja unsere Förderspezifik, darin unterscheiden wir uns von anderen Förderinstitutionen. Die Sparte war von Anfang an stark nachgefragt und überzeichnet. Das Antragsvolumen war 3:1, 4:1. Was mir in letzter Zeit auffällt, ist die starke Vernetzung der Szene. Das ist eine Entwicklung der letzten zehn Jahre, die wir sehr begrüßen.

Wodurch ist die besondere Fördercharakteristik der Stiftung gekennzeichnet? Wie ordnet sie sich insgesamt in die Förderlandschaft ein?

RG: Zum einen ist es die Bandbreite der Förderinstrumente. Das reicht vom Stipendium, das meines Wissens keine andere Institution in Mitteldeutschland so anbietet, über die Projektförderung, die Konzeptförderung und nicht zuletzt die Ankäufe, in deren Rahmen auch Videoarbeiten angekauft wurden. Diese Filme kommen aus dem Kontext der bildenden Kunst. Wir haben einen Schwerpunkt der Förderung: Das sind Kurzfilme und Dokumentarfilme. Das ist so gewachsen. Ursprünglich hatten wir dafür 300.000 EUR zur Verfügung, in den vergangenen Jahren konnten wir immer 370.000 EUR ansetzen, nun sind 400.000 EUR geplant. Ein Stipendium kann beispielsweise die Recherche fördern und ein Exposé entstehen lassen, mit einer Projektförderung geht es vielleicht um ein Treatment und nicht zuletzt kann dann die Produktion selbst gefördert werden.

Gibt es Trends? Haben bestimmte Formate Sie öfter erreicht?

RG: Das ist schwierig zu sagen. Das Feld ist sehr weit und uns erreichen alle möglichen Kurz- und Dokumentarfilmformate. Erkennbar ist vielleicht eine Entwicklung hin zu hybriden Formen: Anima-Dok, also Dokumentarfilmformate, die mit Animationstechniken bearbeitet werden. Der Animationsfilm hat ja sowieso in Mitteldeutschland ein Zentrum.

MF: Das ist ein Trend, den wir in allen Kulturbereichen beobachten: eine Perforierung der Sparten, eine Entgrenzung. Bildende Künstler bewerben sich im Film, Filmemacher in der Literatur,
wenn es um narrative Vorhaben geht. Künstler:innen lassen sich ungern mehr in bestimmte Sparten einordnen.

Inwiefern ist Ihnen der Nachwuchs wichtig? Oder erwarten Sie eher qualifiziertere Anträge von Leuten, die länger im Geschäft sind?

MF: Was unseren gesetzlichen Auftrag angeht, sind wir explizit aufgerufen, den Nachwuchs zu fördern. Auch den Absolventen der Filmhochschulen, den jungen Talenten wollen wir den Einstieg in einen schwierigen Markt ermöglichen. Das andere ist, dass es uns um Qualität geht. Vor allem in der Projektförderung. Projektumsetzung hat mit Erfahrung zu tun, mit Routinen, mit einem gewissen Überblick, was ein Filmvorhaben besonders macht. Hier sind auch die Älteren gefragt. Wir versuchen, das Augenmerk auf beide Altersgruppen zu richten.

RG: Auch in der Projektförderung können Nachwuchstalente mit Anträgen erfolgreich sein. Entscheidend ist das Potenzial, das wir sehen. Unsere Beiräte (die als unabhängige Fachjury über Förderempfehlungen entscheiden; A. d. R.) haben also immer auch einen Blick auf den Nachwuchs.

Welchen Gestaltungsspielraum haben Sie als Stiftung in Sachsen? Wie werden eigentlich die Budgethöhen für die einzelnen Fördersparten festgelegt. Wer trifft die Gewichtung zwischen den Sparten? 

MF: Letztlich werden die Budgets im sächsischen Landtag festgelegt. Von dort bekommen wir die Mittel für unsere Projektförderung. Es ist dabei unsere Aufgabe, das kulturelle Feld im Freistaat zu beobachten und die Förderinstrumente zu schärfen und gegebenenfalls anzupassen. Aus der Stiftung heraus geben wir die Impulse an die Entscheidungsträger: „Wir brauchen mehr Geld für den Film oder für ein besonderes Programm, etwa für die Konzeptförderung.“

Ist ein Förderverhältnis von 3:1 oder sogar 4:1 aus Ihrer Sicht problematisch oder ist es vielleicht sogar gut, weil die Konkurrenz fördert? Was ist ein gesundes Verhältnis?

RG: Tatsächlich würde ich mir das Verhältnis entspannter wünschen. Bei einem Verhältnis von 2:1 oder 2,5:1 kann man sich auf die Qualität konzentrieren. Bei allem darüber hinaus sind schmerzhafte Entscheidungen nötig. Das versuchen wir zu vermeiden. Tatsächlich würde ich es begrüßen, wenn wir mit dem neuerlichen Budgetzuwachs rechnen können, und sicherlich würde gerade der Filmbereich einen weiteren Zuwachs vertragen.

Seit Jahren geht immer wiederkehrend ein beträchtlicher Teil des Förderbudgets für den Film an die namhaften Filmfestivals in Sachsen, die andererseits durch den Freistaat institutionell gefördert werden. Selbstverständlich sind die Festivals auf dieses Geld als Teil ihrer Finanzierung angewiesen. Auch wenn sie dafür jedes Jahr neue Projektanträge stellen und mit der Ungewissheit über die Höhe der Kulturstiftungsförderung zurechtkommen müssen, kann diese doch den Anschein einer festgesetzten Dauerförderung bekommen. Das ruft wiederum den Unmut mancher ehrenamtlicher Jurybeiräte hervor, die das Geld gern für die Förderung von anderen, einzelnen Filmkultur- und (Film)produktionsprojekten vergeben würden. Wie wichtig ist Ihnen die traditionelle Beteiligung bei den Festivals und wie könnte man das Problem nichtsdestotrotz auflösen, dass diese Anträge ein Drittel des Budgets binden?

MF: Ich sehe das in der Tat als Problem, in allen Beiräten übrigens, nicht nur beim Filmbeirat. Wir haben Projekte in herausragender Qualität, die jedes Jahr bei uns eine Förderung bekommen. Man kann die Frage stellen, ob das überhaupt noch eine Projektförderung ist. Sicherlich wird das Projekt jedes Mal auf den Prüfstand gestellt. Aber wir müssen überlegen, ob wir hier nicht eine bessere Lösung finden. Grundsätzlich fände ich es geboten, wenn verschiedenste Förderinstrumente unter dem Dach der Kulturstiftung vereint wären: Projektförderung, längere Konzeptförderung und aus meiner Sicht letztlich auch die institutionelle, dauerhafte Förderung von Projekten. Es sollte dann schon in regelmäßigen Abständen dort eine Evaluierung stattfinden. Eine solche Förderung gibt es allerdings derzeit in der Kulturstiftung nicht.

RG: Es gibt bei uns keine heiligen Kühe, aber tatsächlich eine Tradition der Festivalförderung. Man muss sich zusammensetzen mit dem zuständigen Ministerium, mit dem Filmverband, auch
mit den Festivals. Alle sollten dabei möglichst gewinnen. Wenn es künftig eine besondere Lösung für die Festivals gäbe, könnten wir unsere Mittel verstärkt für die Entwicklungs- und Produktionsförderung einsetzen und die Potenziale dort besser entfalten.

Wie haben Sie die pandemiebedingte Situation in den vergangenen Monaten, im zurückliegenden Jahr erlebt? Wie konnten Sie zur Unterstützung der Kultur und der Kulturschaffenden darauf reagieren?

MF: Als ich 2019 als Direktor der Kulturstiftung angetreten bin, hatte ich mir als Konzept vorgestellt, dass sich die Stiftung, neben der Projekt- und Stipendienförderung auch auf eine immer
stärker werdende Programmförderung stützt, finanziert aus Stiftungsmitteln, aus öffentlichen Mitteln, auch aus Drittmitteln. Corona hat uns dann als Stiftung zunächst in eine völlig neue
Situation gebracht. Wir haben überlegt, wie wir reagieren können und das Denkzeit-Programm entwickelt. Wir dachten: Es ist doch auch eine Chance, wenn Künstler:innen aller Sparten den
Lockdown nutzen, um kreativ zu sein, Ideen zu entwickeln, die sie später umsetzen können. Das ist ein Labor gewesen, ein Versuchsfeld, und übrigens sehr erfolgreich. Wir haben sehr viele,
sehr gute Anträge bekommen. Im Filmbereich allein haben wir 185 Anträge fördern können. Auch in unserem Kleinprojekte-Fonds, der vor allem auf den ländlichen Raum zielt, konnten wir
einige Filmprojekte unterstützen.

RG: Über den Corona-Bewältigungsfonds konnten außerdem besonders Festivals unterstützt werden, auf die neuen Hygieneanforderungen zu reagieren, Streamingformate zu entwickeln etc.

Noch mal darüber hinaus: Wie sieht Ihre Vision für die Entwicklung der Kulturstiftung aus?

MF: Grundsätzlich ist es so: Die Kulturstiftung hat in den vergangenen Jahren sehr gute Arbeit geleistet. Das Konzept, mit dem ich angetreten bin, hat zwei Säulen: Strukturen bewahren und
letztlich zukunftsfest machen. Dazu brauchen wir in der Tat neue Werkzeuge. Einen Zentralpunkt hatte ich genannt: die Stärkung des Programmbereichs. Es gibt eine neue Programmreferentin, die sich speziell um die Evaluierung und Neuausrichtung der Programme kümmert. Der zweite wichtige Punkt ist die Digitalisierung. Die Stiftung soll digital neu aufgestellt werden. Das hat schon vor meiner Zeit begonnen. Jetzt geht es darum, das in ein Gesamtkonzept einzubinden. Im Sommer 2020 haben wir eine zeitgemäße, transparente neue Webseite online gestellt, die auch unsere Beratungskompetenz deutlich macht. Diesen Weg werden wir – auch pandemiebedingt – weitergehen. Auch Nachhaltigkeit ist ein Thema: Wie können wir die Stiftung in ein Nachhaltigkeitskonzept überführen? Das sind Stichworte, die Teil einer Gesamtstrategie sind. Die heißt: Kunst und Kultur im Freistaat Sachsen zukunftsfähig zu machen. Und zeitgemäße Fördermöglichkeiten für die Künstler:innen zur Verfügung zu stellen.

Welche Rolle könnte die Zusammenarbeit mit dem Filmverband dabei spielen?

MF: Auch da ein grundsätzlicher Punkt: Ich wünsche mir, dass wir eng und vertrauensvoll mit den Landesverbänden zusammenarbeiten. Wir freuen uns da über Ideen und Anregungen.
Wir haben den FILMSOMMER SACHSEN angesprochen, aber man kann auch über neue Formate sprechen. Grundsätzlich könnte ich mir vorstellen, dass die Stiftung stärker themenorientiert
arbeitet. Wir hatten ja das Thema „Industriekultur“. Es war nicht leicht, das während der Pandemie umzusetzen, hat uns aber trotzdem viel Spaß gemacht. Ich könnte mir durchaus vorstellen,
dass man das Prinzip der Themenjahre weiterdenkt: Wie können wir da verschiedene Initiativen bündeln? Das kann dann auch mal ein Themenjahr „Filmland Sachsen“ sein.

RG: Kontinuität ist wichtig. Beispielsweise beim Format Filmsommer. Beim Fachbeirat Film hätten wir den Filmverband auch gern weiterhin dabei. Was vielleicht noch ausgebaut werden
könnte, wären eigene Formate des Filmverbands, die wir als Förderinstitution begleiten können. Dieses Jahr ist ja ein Pitching-Workshop geplant: Das könnte die Stiftung zukünftig vielleicht stärker unterstützen.

In welchem Maße spielt der ländliche Raum für Sie eine Rolle? An welche Maßnahmen denken Sie in Zukunft?

MF: Der ländliche Raum hat für uns besondere Bedeutung, weil wir unsere Tätigkeit auch als eine Form der gesellschaftlichen Integration mit den Mitteln von Kunst und Kultur begreifen. Als
Landesstiftung sind wir aufgerufen, einen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt zu leisten. Da ist es gerade in Sachsen wichtig, dass wir die ländlichen Räume nicht vergessen. Wir
haben da ganz unterschiedliche Regionen: sehr kulturaktive Regionen, wenn ich an Ostsachsen denke, an die Region um Görlitz, auch an das Erzgebirge, wo sehr viel passiert. Und wir haben
andere Regionen, die bisher eine für mich zu geringe Rolle spielen. Eines meiner Ziele ist, dass die Kulturstiftung flächendeckend im ganzen Land präsent ist. Wenn man am Wochenende im Land unterwegs ist und Veranstaltungen besucht, möchte ich, dass da möglichst immer auch das Logo der Kulturstiftung auftaucht. Ich wünsche mir, dass wir keine weißen Flecken mehr auf der Landkarte haben, wo es zum Beispiel keine Filmprojekte, keine Kinos gibt. Das ist eine anstrengende Arbeit, wir wissen das alle. Die Situation ist derzeit in einigen Regionen nicht so gut. Die Kultur ist aufgerufen, da mitzuarbeiten, dass die Menschen, die im ländlichen Raum wohnen, arbeiten und leben, auch Zugang zu Kunst und Kultur haben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Jana Endruschat, Joachim Günther