Zwei sächsische Agenturen: Semmelblond und PageMagnet

Von Nadine Faust.

Wenn es um Film geht, dann interessieren sich viele für die Technik. „Aber mich hat eigentlich immer mehr die Geschichte interessiert“, erzählt Uwe Philipp. Er wurde 1962 in Grimma geboren, ist in Arnsdorf und Fuchshain aufgewachsen und hat Schlosser gelernt. Rund um den Mauerfall begann er ein Afrikanistikstudium in Leipzig, das er nach zwei Semestern abgebrochen hat. Es folgten ein Studium der Betriebswirtschaftslehre und Ende des Jahrtausends die ersten Medienkurse bei den Sächsischen Ausbildungs- und Erprobungskanälen (SAEK). Dort war er wenig später selbst in Projekte eingebunden, organisierte internationale Kurzfilm- und Drehbuchworkshops. „Daraus entstand irgendwann die Idee, das vorhandene Netzwerk zu nutzen und in den Rechtehandel einzusteigen“, sagt er. So wurde 2013 in Dresden der Grundstein für die Semmelblond script agency gelegt.

Auch für Katharina Schwarz ist ihre Motivation klar: „Ich liebe Geschichten!“ Die gebürtige Münchnerin, Jahrgang 1975, hat ein Diplom in Filmproduktion von der Filmakademie in Ludwigsburg sowie einen Masterabschluss in International Management aus Spanien. Sie hat den Film „Französisch für Anfänger“ mitproduziert und in London sowie Los Angeles gearbeitet. Wegen eines befreundeten Autors kam sie auf die Idee, eine Agentur zu gründen. Das war anno 2005 in München. Vor zwei Jahren zog sie der Liebe wegen nach Leipzig. Etwa 40 Drehbuchautorinnen und Regisseurinnen hat sie bei PageMagnet unter Vertrag, auch ein Komponist ist dabei. „Um einen Komponisten zu verkaufen, braucht man Regie und Produktion. Die Kontakte habe ich ja“, sagt Schwarz. Und die sind das A und O. Dafür geht sie auf Festivals, hat aber auch während des Studiums an der Filmakademie und danach „viele Klinken geputzt. Ich habe jahrelang nichts verdient und nur investiert. Diese Früchte ernte ich jetzt“, erzählt sie.

Das ist einer der Vorteile von Agenturen: ihre umfassende Kontaktliste. „Ich verhandle Gagen, die Rechte, mache das ganze Management. Ich bin eine Beraterin und irgendwie auch Lifecoach“, erklärt Schwarz. „Ich kann eine deutlich bessere Gage aushandeln als meine Klienten. Aber ich kann das nur, wenn ich vollkommen hinter ihnen stehe. Dann kämpfe ich wie eine Löwenmutter. Es ist schwierig, das für sich selbst zu machen. Die Autoren wissen oft gar nicht, wie wertvoll sie sind.“ „Wir wissen einfach, wen wir ansprechen müssen“, erklärt Uwe Philipp. Manchmal dauere es dennoch Jahre, den geeigneten Produzenten oder Verleger zu finden. Denn Semmelblond ist eigentlich eine Literaturagentur. „Aber eine Agentur ist dazu da, Rechte an Geschichten zu verwerten. Manche Geschichten, die als Buch reinkommen, kann man sich gut als Film vorstellen. Das ist was Persönliches. Es gibt dafür keine Kriterien oder ein Muster.“

Uwe Philipp hat die Unterstützung von drei Mitstreitern, die nicht nur in Dresden leben und arbeiten, sondern beispielsweise auch in Frankreich und Polen. Iwa Pawlak kümmert sich etwa um die Übersetzungsrechte in Polen und Osteuropa, Catherine Fuhg um den französischsprachigen Markt. Die Idee, international zu arbeiten, entstand durch die Workshops beim SAEK. „Frankreich und Polen sind auch größere Länder mit vielen potenziellen Käufern“, fügt Philipp hinzu.

Katharina Schwarz veranstaltet manchmal Drehbuchworkshops, einen sogenannten Writers Room. Drei Tage lang kommt dann ein Teil ihrer unter Vertrag stehenden Autoren zusammen und entwickelt zum Beispiel Konzepte für Serien – ein Steckenpferd der Agentur. Für „Bibi & Tina“ schreiben die Autoren oder Krimiserien wie die Soko-Reihe und „Notruf Hafenkante“. Unterstützt wird Schwarz von einer Assistenz. Über ihre Provision redet sie ungern, Uwe Philipp spricht von einer branchenüblichen Umsatzbeteiligung von 15 Prozent für innerdeutsche Vermittlungen sowie 20 Prozent für internationale Projekte. Auch Übersetzungsrechte hat Semmelblond im Portfolio.

Doch der Markt für Bücher schrumpft. Deswegen haben Uwe Philipp und seine Semmelblond-Kollegen Catherine Fuhg, Iwa Pawlak und Hans-Georg Liebezeit vor Kurzem die Produktionsfirma Picafilm gegründet. Man brauche aber eine gewisse Zeit, um die entsprechenden Kontakte zu knüpfen. Dafür sei der Standort Dresden nicht der beste. „Was in Dresden fehlt, ist der MDR. Du brauchst einen Grundauftrag und der kommt in Deutschland meistens vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen.“ Auch eine Filmhochschule in Mitteldeutschland würde den Ausbau von Strukturen antreiben. Durch die Corona-Krise sind zudem diverse Vernetzungstreffen ausgefallen. Deswegen erstellen Philipp und seine Kollegen derzeit vor allem einen Drehbuchkatalog und bauen die Webseite aus.

Katharina Schwarz erlebt die Krise anders. „Wir arbeiten auf Hochtouren. Alle entwickeln Stoffe. Das ist das, was man derzeit machen kann – auch von Produzentenseite“, sagt sie. Das erhöhte Arbeitsaufkommen muss sie mit der Betreuung und dem Heimunterricht ihres Sohnes vereinbaren. Sie kann sich aber vorstellen, dass sie die Krise versetzt treffen wird, denn ein Teil des Geldes wird erst gezahlt, wenn die Stoffe tatsächlich gedreht werden. Das kann ein Drittel oder 50 Prozent des Honorars ausmachen. Der Standort Leipzig sei dabei kein Nachteil. Im Gegenteil: Die Branche sei hier nicht so festgefahren und die Geschichten liegen quasi auf der Straße. „Da kann man auch Motor sein.“ Diese Funktion übernimmt sie auch im Rahmen ihrer Lehrtätigkeit an der Filmakademie in Ludwigsburg. Seit zehn Jahren unterrichtet sie in der Drehbuchklasse, neuerdings gibt sie Seminare zu Vertragsverhandlungen und der weiblichen Selbstdarstellung. „Die Darstellung der Frau verändert sich. Weibliche Hauptfiguren sind gefragt. Auch Regisseurinnen und Autorinnen“, erzählt Schwarz. Und nach wie vor Krimis. Da sind sich Katharina Schwarz und Uwe Philipp einig.


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