Lieber Thomas,

es ist wenige Wochen her, da habe ich Dir gedankt. Wir hatten es endlich geschafft. Unser neuer Dokumentarfilm lief im Kino. Ich habe Dir eine lange Nachricht geschickt, weil Du Dir Deine Kraft zum Sprechen einteilen musstest. »Der Mann, der nie im All war« wurde auch in Deiner Heimatstadt Halle gezeigt. Das Publikum war begeistert. Es war unser Moment. Seit 2017 hatten wir gemeinsam dafür gearbeitet. Du, der Produzent aus Halle, und ich der Filmemacher aus Leipzig. Mit unserem ersten Film »Land am Wasser« hatten wir viele gemeinsame Momente in den Kinos erlebt. Dieser Abend in Halle wäre eine neue gemeinsame Belohnung gewesen. Aber Du konntest nicht dabei sein. Du hast unseren letzten Film nie im Kino gesehen. Unser letzter Film, wie unfassbar hart sind diese Worte. Ich würde sie gern löschen und ausradieren, weil ich es nicht wahrhaben will.

In diesem Film geht es auch um die Frage: Was bleibt von einem Menschen, wenn er nicht mehr da ist? Stundenlang haben wir immer wieder darüber gesprochen und philosophiert. Erst dadurch konnte ich das weiße Blatt mit Gedanken füllen und ein Treatment entwickeln. Wir waren uns einig, dass der Titel »Der Mann, der nie im All war« nach etwas Unvollendetem klingt, aber die Geschichte, die wir erzählen wollen, ist es nicht.

Diese Gespräche zwischen uns wird es nicht mehr geben. Deine Familie, Deine Freunde und Kollegen sind mit einer grausamen Endgültigkeit konfrontiert. Du hast mir das Vertrauen gegeben an mich zu glauben, und hast mir Mut gemacht. Das ist viel mehr, als man erwarten kann. Ich bin alt genug, um zu wissen, dass man von diesen Menschen nicht sehr viele im Leben trifft. Jetzt bist Du nicht mehr da und neben dem Schmerz, den ich empfinde, suche ich nach dem »Was bleibt?« in mir.

Ich muss an ein Bild von Caspar David Friedrich denken. Ein großes Stück vom Kreidefelsen ist verschwunden. Er wirkte robust und stark, wie für die Ewigkeit gemacht. Entstanden ist eine gigantische Lücke. Das Meer, die große Ungewissheit, ist sichtbar geworden. Bis zum Horizont gibt es nur Wasser. Du, Thomas, würdest mir sagen, da ist auch ein neuer Weg. Ich schaue stumm in diese Ferne und will es Dir glauben. Ich vertraue Dir.