Porträt Katharina Weser von Reynard Films

Eine dunkle Höhle. Nur die Scheinwerfer meines Tauchboots streuen Licht in der Dunkelheit der Tiefsee. Plötzlich leuchten Punkte mal heller mal weniger hell an den felsigen Höhlenwänden auf. „Weniger stark“ höre ich Abel auf Englisch sagen. Ich nehme die Virtual Reality Brille von Vice ab und sehe wieder das Büro von prefrontal cortex vor mir.

An zwei großen Monitoren sitzt Felix Herbst, Entwickler bei der jungen Firma mit Sitz im DesignHaus Halle und tippt neue Werte ein. Neben ihm hat VFX-Regisseur Abel Kohen Platz genommen und gibt Anweisungen, wie hell die Materie an den Wänden leuchten soll – die Biolumineszenz. Hinter mir steht die Produzentin Katharina Weser und ist, wie ich, ganz in die Tiefseewelt versunken.

Mit der jungen Produktionsfirma Reynard Films in Leipzig, die sie mit ihrem Partner Georg Neubert vor zwei Jahren gründete, ist sie Produzentin des Projekts von Showrunner Abel Kohen. Was hier Ende Januar vor meinen Augen gerade entsteht ist ein „Proof of Concept“, wie mir Katharina erklärt, das dabei helfen soll, Gelder für die Produktion des VR Games zu akquirieren.

„Biolumineszenz“ war zunächst als Webserie inklusive einer Virtual Reality (VR) Episode angelegt. Die Serie soll die Vloggerin Liz Clarke bei ihren Entdeckungen in die Tiefen der Meere begleiten und ist irgendwo zwischen wissenschaftlichen Fakten und Science Fiction einzuordnen. Zielgruppe ist in erster Linie ein junges Publikum, die Millennials. Mit einem Teaser im Gepäck versuchten sie, die Serie auf den internationalen Markt zu bringen: „Wir haben festgestellt, dass der Enthusiasmus für die Idee super groß ist, aber die Sender würden es gerne günstiger machen. Das geht natürlich überhaupt nicht, wenn man einen gewissen Grad an fotorealistischer 3DAnimation haben will.“ Daher möchten sie vorerst nur ein entkoppeltes VR-Game mit starken narrativen Elementen produzieren, denn die Ansprüche an ihr Produkt wollen sie nicht herunterschrauben. Die beiden Jung-Entrepreneure bleiben standhaft: „Wir ziehen halt durch, was wir machen wollen und gleichen uns nicht so sehr ans System an“, hält Katharina fest.

In ihrem dritten Firmenjahr entwickeln und produzieren sie bereits eine Bandbreite an Projekten. Neben der Projektförderung für die Webserie „Biolumineszenz“ arbeitet Katharina gemeinsam mit der Regisseurin Sandrina Koppitz an ihrem ersten langen Dokumentarfilm „Mala Aria“. Mit der Filmidee wurden sie und Sandrina für das Trainingsprogramm Masterschool des Documentary Campus ausgewählt – trotzdem beide verhältnismäßig unerfahren waren. Gerade deshalb haben sie besonders von der Teilnahme profitiert und eine steile Lernkurve hinter sich. Für den Dokumentarfilm über Malaria und warum die Krankheit weiterhin unbesiegt bleibt, schickte Katharina die Regisseurin um den Jahreswechsel erneut mehrere Wochen auf Recherchereise nach Afrika.

Für andere Filmideen, die Katharina mit ihrem Partner gemeinsam entwickelt, ist wiederum bereits die erste Klappe gefallen: Im März begann der Dreh für den Kurzfilm „Der Kupfermann“ über einen einsamen Mann, der sich einen Taucheranzug aus Kupfer baut. Der Kurzfilm war die erste Filmidee aus der Feder von Reynard Films und erhielt beim zweiten Anlauf im letzten Jahr nun endlich die Filmförderung, die er verdient hat. Ein ganz besonderes Projekt auch deswegen, da Katharina und Georg nicht nur das Drehbuch gemeinsam geschrieben haben, sondern auch in Co-Regie drehen. Damit kommen beide ebenfalls ihrem Ziel näher, sich perspektivisch in die künstlerischen Tätigkeitsfelder der Filmproduktion zurückziehen zu wollen; vornehmlich als Ideengeber und (Co-)Autoren.

In Sachsen sieht Katharina eine „dankbare Region für Kurzfilm“ – auch gerade wegen der vielen kleinen Fördermöglichkeiten. Derzeit entwickelt Reynard Films noch zwei Animationsfilme die in Kooperation mit arabischen Regisseuren entstehen: die Stop-Motion-Puppentrick-Animation „R.I.P. – Rest in Piece“ und „The Key“, eine Animation mit Live-Action-Elementen. Letztere befindet sich bereits in Produktion.

Die bunte Mischung, u. a. aus Live Action und Animation, ist eine Leidenschaft, die Katharina mit ihrem Firmenpartner teilt: „Ich denke überhaupt nicht in Kategorien: Das ist der Autor, das ist der Regisseur, das ist der Produzent. Und ich denke auch nicht in Kategorien von wegen: Das ist Animation, das ist Live Action und das ist Dokumentarfilm. Ich fand es schon immer spannend, wenn sich die Genre ein bisschen überschneiden.“

Kennengelernt haben sich die jungen Firmengründer beim Aufbaustudiengang „Atelier Ludwigsburg-Paris“ für angehende Filmproduzenten. Mit nicht mal 30 Jahren gründeten sie Reynard Films Anfang 2016 in Leipzig.  Seitdem haben sie bereits viele Mischformen gemeinsam erprobt. Zukünftig würde die studierte Journalistin jedoch einmal ein Animadokfilm oder -serie reizen: „Ich finde es langweilig, nur die Realität abzubilden. Wenn ich das gewollt hätte, hätte ich auch Journalistin bleiben wollen. Was mich am Dokumentarfilm interessiert, ist nicht nur, die Realität abzubilden, sondern ein Gesamtkunstwerk zu schaffen, das eine ganz besondere Sicht abgibt.“

Der Start war nicht einfach, aber im dritten Jahr zeichnet sich der Erfolg so langsam auch in Zahlen ab. „Man wird nirgends mit offenen Armen empfangen, denn die Branche ist gesättigt,“ erklärt Katharina, ergänzt jedoch die Vorteile der preiswerten Region und den guten Kontakten zu den Förderern: „Ich kenne zumindest niemandem, dem in Berlin das möglich ist, was wir hier machen.“

Als Nächstes träumt die Produzentin schon von einer langen Serie, an der Georg gemeinsam mit einem Leipziger Autoren arbeitet. „Es spielt in einer Zeit oder einer Welt, wo die Grenzen zwischen Realität und Zauberei noch ein bisschen verschwommen sind,“ fasst Katharina kurz zusammen. Mehr will sie jetzt noch nicht verraten und widmet sich vorerst wieder der Tiefseewelt, die im Raum nebenan gerade zum Leben erweckt wird.