Die Filmfestivals KURZSUECHTIG in Leipzig, Neiße Filmfestival und FILMFEST DRESDEN, die traditionell während April bis Mai stattfinden, kämpften bereits 2020 coronabedingt mit großen Herausforderungen: In der heißesten Vorbereitungsphase mussten Festivaltermine verschoben und kurzfristige Alternativlösungen gefunden werden – dies wird sich auch 2021 fortsetzen. 

Das KURZSUECHTIG-Festival plane bisher keine Onlineversion, so Festivalleiter Mike Brandin und Projektleiterin Corinna Schulze. „Als regionales Festival mit mitteldeutschem Fokus ist eine Onlineversion kritisch, da wir von der Leipziger Kulturgemeinschaft leben und online eine zu geringe Reichweite haben.“ Größte Herausforderung der erzwungenen Verschiebung des Festivals 2020 war, eine passende Location zu finden. „Wir waren das erste regionale Festival, das stattfinden konnte. Der Zuspruch war enorm, das Publikum im Sommer sehr dankbar für Kulturangebote.“ Nach den Erfahrungen des Vorjahres sind auch künftig möglichst viele Workshops, Gesprächsrunden und Filmevents Open-Air geplant. Höhere Location- und Mietkosten für zusätzliche Vorführtechnik führten zu Budgetengpässen und Programmkürzungen. Die erneute Festivalverschiebung von April auf August 2021 ist auch eine Folge der finanziellen Planungsunsicherheit durch die bis Mai ausstehende Verabschiedung des sächsischen Doppelhaushalts 2021/22. Bis dahin ist das Budget unklar: „Oberstes Ziel ist, unsere Wettbewerbe an fünf Festivaltagen zu zeigen. Die weitere Programmgestaltung hängt davon ab, was finanziell und hygienemäßig möglich ist. Personal- und Bürokosten überbrücken wir vorerst durch finanzielle Rücklagen, realistische Festivalplanung ist erst ab Mai möglich.“

Während in Leipzig die Terminverschiebung nur eine Hauptlocation betrifft, ist das grenzüberschreitende Neiße Filmfestival organisatorisch ganz besonders gefordert: 22 Spielstätten, zwölf Orte, drei Länder. „Das vergangene Jahr war zwar erfolgreich, aber echt herausfordernd“, sagt Co-Festivalleiterin Ola Staszel. „Die Verschiebung von Mai auf September führte zu großen Doppelbelastungen, da sich Förderantrags- und Planungsabläufe der Festivals 2020 und 2021 zeitlich überschnitten. Wir mussten Honorarkräfte zweimal engagieren, Teilzeitkräfte Vollzeit einsetzen, Plakate neu drucken, den Festivalkatalog korrigieren und Programmänderungen an Partner, Förderer und Publikum kommunizieren.“ Für 2021 entschieden sich die Festivalorganisatoren, den Festivaltermin vorerst bei Ende Mai zu belassen [nach Redaktionsschluss auf 16. bis 19. September verschoben, Anm. d. Verf.]. Wie auch bei KURZSUECHTIG bleibt die Haushaltssituation bis dahin ungewiss. Die Berücksichtigung unterschiedlicher Coronaregeln in Deutschland, Polen und Tschechien erschwert die Planungen zusätzlich: In Polen sind Kinos aktuell geöffnet, in Tschechien geschlossen, in Deutschland alles unklar. Alternativ erwägt das Festival den Einsatz von Open-Air-Leinwänden, was Programmeinschränkungen zur Folge hätte. Da die technischen Zusatzkosten einer Open-Air-Variante das Budget übersteigen, sind Coronafördermittel bei der Sächsischen Aufbaubank beantragt – 2020 kompensierten Coronahilfen der SAB und der KdFS die Mehrkosten. „Falls im Mai keinerlei Festival möglich ist, überlegen wir uns Alternativen. Eine Onlinevariante wäre aber für ein Publikumsfestival wie das unsrige ungünstig“, so Ola Staszel und fügt hinzu: „Besonders der Solidaritätsgedanke mit den Kinos ist uns unglaublich wichtig, und Onlineformate können Begegnungen zwischen Publikum und Filmemachern nicht ersetzen.“ Darüber hinaus macht der Drei-Länder-Fokus unterschiedliche Onlinesprachversionen notwendig, problematisch ist zudem die schlechte Internetversorgung im ländlichen Raum. 

Auch das Team des FILMFEST DRESDEN kämpfte 2020 mit Doppelbelastungen. Trotz aller Umstände fällt die Bilanz für die beiden Festivalleiterinnen Sylke Gottlebe und Anne Gaschütz positiv aus: „Die Open-Air-Events auf dem Neumarkt und die Kinovorführungen erfreuten sich trotz Einschränkungen großen Zuspruchs. Die doppelte Vorbereitung des für April geplanten, dann auf September verschobenen Festivals war aber ein großer organisatorischer Kraftakt. Durch die Terminverschiebung überschnitten sich auch Abwicklung 2020 und Planung 2021.“ Die zusätzlichen Herausforderungen ähnelten dabei sehr denen des Neiße Filmfestivals. Anne Gaschütz ist beeindruckt, wie sehr sich das Team auf die neue Situation einließ: „Mit Elan und Zuversicht brachte es Lösungsideen ein und recherchierte Möglichkeiten zur Online-Festivalgestaltung. Der Zuspruch durch Förderer und Kurzfilmszene war als positives Zeichen ebenfalls motivierend für uns.“ Dieses Jahr wird das Filmfest vom 13. bis 18. Juli stattfinden. Neben den bisherigen Spielstätten sind zusätzliche Filmevents bei den Filmnächten am Elbufer geplant. Programmkürzungen sind nicht vorgesehen, alle Wettbewerbe, Sonder-, Kinder- und Jugendprogramme sollen wie gewohnt – durch digitale Angebote ergänzt – stattfinden. Die 2020 entstandenen Mehrkosten wurden durch Coronahilfen der Stadt Dresden, der KdFS und des Bundes (BKM) kompensiert, für 2021 stehen die Entscheidungen noch aus. Bereits beantragt wurden Mittel aus dem BKM-Rettungspaket „Neustart Kultur“ und dem Förderprogramm „Kultur.Gemeinschaften“ für die technische Grundausstattung digitaler Liveübertragung von Programminhalten. „Die digitalen Zusatzangebote haben unser Präsenzfestival perfekt ergänzt“, so Sylke Gottlebe. „Die Online-Liveübertragung von Panels mit internationalen Filmgästen ist zwar technisch wie personell aufwendig und verursacht Mehrkosten, setzt aber Teilnahmehürden herab und generiert neues Publikum. Ein reines Onlinefestival bedeutet aber, einen Großteil der Atmosphäre abzugeben, daher verschieben wir erneut das reale Festival – auch aus Solidarität zu unseren Kinos.“ Und Anne Gaschütz ergänzt: „Ein Livefestival ist trotz innovativer Möglichkeiten nicht 1:1 in den digitalen Raum übertragbar, da das Publikum sehnsüchtig nach persönlichem Austausch ist, und eine gewisse Onlinemüdigkeit ist ebenso bemerkbar.“

Als im wörtlichen Sinne außergewöhnlich bleibt das Engagement der drei Festivals in der aktuellen Ausnahmesituation hervorzuheben: Praktisch seit Ende 2019 sind die Teams im Dauerarbeitsmodus, wurden Festivalabläufe mehrfach neu geplant, Termine verschoben, Alternativen der Durchführung überdacht, Festivalkataloge und Marketingmaterialien überarbeitet, zusätzliche Förderanträge für Coronahilfen oder neue Anträge zur künftigen Festivalfinanzierung gestellt und parallel das abgeschlossene Arbeitsjahr abgerechnet. Trotz Abstandsregeln, Hygienevorschriften und Planungsunsicherheit wurden alle Festivals durchgeführt. Bereits vor Corona ließ die finanzielle Situation der Festivals diesen nur wenig Handlungsspielraum, besonders in Hinblick auf die Entlohnung von Mitarbeiter:innen und Honorarkräften. Die jetzigen zusätzlichen Herausforderungen verstärken diese Problematik – und sie unterstreichen den zwingenden Handlungsbedarf. 

(erschienen im AUSLÖSER, Heft 01/2021, Seite 26 bis 27)