Mitgliederporträt Roman Schlaack
Um zu begreifen, dass er nicht nur Macher, sondern ein Stück weit auch Künstler ist, hat Roman Schlaack lange gebraucht, wie er sagt. Als Künstler müsse man an seiner eigenen Handschrift arbeiten und sich spezialisieren, um sich weiterentwickeln zu können.
Der gelernte Kameramann hat deshalb vor vier Jahren den Weg in die Selbstständigkeit gewagt. Zuvor hatte er 13 Jahre lang bei der Dresdner Produktionsfirma adhoc Film gearbeitet, dort und auch später zahlreiche Beiträge fürs Fernsehen gemacht, dabei vorrangig für Magazine, Nachrichten- und Sportsendungen, sowie Image- und Werbefilme.
„Der Reiz an Auftragsarbeiten ist es, dass man sich auf sein Gewerk konzentrieren kann, außerdem habe ich einen unglaublichen Spaß, mit den anderen Gewerken zusammenzuarbeiten. Dabei muss man aber auch sagen, dass einen die Arbeit auch einschränkt. Gerade beim Fernsehen hat man gewisse Formate, bei denen festgeschrieben wird, welche Bildinhalte vorkommen sollen und welche nicht. Das sind Dinge, die mich teilweise schon stören, aber ich kann mir die Aufträge ja auch aussuchen.“
Zudem spüre man schon, dass beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Wind wesentlich rauer wird, wie er sagt. „Man produziert viel mehr Material in immer weniger Zeit. Zugleich wird einem aber auch eine immer höhere Qualität abgefordert, besonders was ästhetische Gesichtspunkte betrifft. Das ist manchmal nur schwer umzusetzen.“ Doch Schlaack lässt sich davon nicht einschüchtern, vielmehr sieht er darin sogar einen gewissen Ansporn. „Man muss eben flexibel sein. Das sollte aber generell auch die Eigenschaft eines guten Kameramanns sein. Auch vor Ort muss man sofort sehen, aus welcher Position man die beste Perspektive hat.“
Die Flexibilität ist für ihn nach den vielen Jahren kein Problem mehr. Meistens hat er für Aufträge eine Vorlaufzeit von etwa zwei Wochen, manchmal sind es aber auch nur zwei Tage oder gar zwei Stunden. Ein größeres Problem sieht er stattdessen in der schwindenden Bedeutung seines Berufs. Er habe das Gefühl, dass die Arbeit des Kameramanns immer weiter in den Hintergrund rückt. Zudem bieten immer mehr Kollegen auch trimediale Dienstleistungen an und produzieren also zugleich für Fernsehen, Radio und Onlinemedien. „Ich stelle mir da schon die Frage, welche Rolle der Kameramann oder die Kamerafrau da in Zukunft noch spielen wird.“ Dieses Gefühl verstärke sich noch, wenn man die Entwicklung von Automatisierungsprozessen betrachtet, so wie sie vor allem in der Sportberichterstattung Einzug finden. Hier werden immer häufiger Roboterkameras eingesetzt, die etwa vom Studio aus bedient werden oder mittlerweile sogar völlig autonom funktionierten.
Jedoch werden Roboter eines wohl niemals ersetzen können und das sei die Kreativität. Die Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, Empathie zu entwickeln und sich ganz einem Motiv zu verschreiben, was für Schlaack essenzielle Eigenschaften sind, um einen guten Film zu machen. In der Zeit seiner Selbstständigkeit habe es ihn immer näher zum Dokumentarfilm gezogen, bei dem es möglich ist, sich mehr Zeit für Menschen und ihre Geschichten zu nehmen. Froh war er daher, als es zu der Zusammenarbeit mit der Regisseurin Bettina Renner gekommen ist, mit der er 2016 den Film Hier und Dort gedreht hat. Die Dokumentation handelt von dem 15-jährigen Haris aus Dresden, der anfängt, sich mit seiner Identität auseinanderzusetzen. Haris‘ Eltern waren 1992 aus Bosnien geflohen, er selbst aber ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Infolge der Flüchtlingskrise fing er an, sich zunehmend als anders wahrzunehmen, wahrnehmen zu müssen, denn für ihn waren seine beiden kulturellen Hintergründe völlig selbstverständlich. Die intime und intensive Auseinandersetzung mit Haris und seiner Familie hatte Schlaack sehr gefallen. „Menschen in ihrem Milieu, ja auch Menschen bei der Arbeit zu zeigen, ist etwas, was mich immer am meisten fasziniert hat.“
Ein weiteres Projekt, das ihm auch persönlich sehr wichtig war, ist der Film Rauschen im Tal, der die elektronische Musikszene Dresdens abbildet, und zwar von ihren Anfängen in den 90er-Jahren bis zur Gegenwart. „Das war ein echtes Herzensprojekt. Meine zweite Leidenschaft ist nämlich die Musik.“ Bereits seit 1996 ist Roman Schlaack auch als Musiker aktiv und legt unter dem Namen DJ Subit auf, selten, wie er sagt, aber vier- bis fünfmal im Jahr sei es schon.
Die erste Idee, einen Film über die Dresdner Elektroszene zu machen, kam ihm 2010, als er bemerkte, dass sich bereits eine neue Generation von Musikern und Partycrews in der Stadt formiert hatte, die zwar an früheres anschloss, aber auch ganz neue Impulse und Arbeitsweisen mitbrachte. „Da ist mir bewusst geworden, dass Dresden dahingehend schon etwas zu bieten hat und dass die Szene schon sehr besonders ist im Gegensatz zu anderen Städten. Es sollte zunächst ein Gegenwartsfilm werden, hat sich dann aber eher in eine historische Richtung entwickelt.“ Nachdem die erste Idee zu dem Film zwei Jahre reifen musste, hat Schlaack den No-Budget-Film über vier Jahre hinweg zu größten Teilen eigenständig in seiner Freizeit produziert. Das hätte aber vor allem auch den Grund gehabt, dass es in Dresden ziemlich schwierig ist, spontan eine Filmcrew zusammenzustellen, zumal für unbezahlte Herzensprojekte. Von der hiesigen Filmszene wünscht er sich daher, dass sie ein bisschen näher zusammenrückt und auch mal gemeinsam größere Projekte zusammen anstößt. In anderen Städten gehe das doch auch.
Diese Skepsis auf der einen Seite, ein sehr familiärer Umgang auf der anderen Seite, sieht Schlaack mittlerweile als dresdentypisches Phänomen, das er als „Talmentalität“ bezeichnet. Das sei auch gar nicht negativ gemeint. Diese Stadt lebe von seinen Kontrasten und Spannungsfeldern, die eine vielfältige Stadtgesellschaft mit sich bringe, zugleich ist diese aber überschaubar und auch ein bisschen provinziell, was einen gewissen Reiz ausübe – auch auf die Underground-Szene. Diese Faszination will der Kameramann gerne in einem Dokumentarfilm festhalten und wird daher vielleicht den Ausgangspunkt für sein nächstes Projekt bilden.
Autor: Stephan Zwerenz