Porträt Olaf Held

Konflikte liegen Olaf Held. Inhaltlicher und formgebender Natur. Gerade hat der Regisseur und Drehbuchautor den Dreh für „Hammerthal – Kapitel 3“ beendet. Nur noch ein Nachdreh steht an. Die Frage nach der Handlung des dritten Kurzfilms aus der Reihe „Hammerthal“ scheint berechtigt – und ist es doch nicht: „Na ja, Handlung, also … es wird wie in den ersten beiden. Es gibt halt so Konflikte zwischen verschiedenen Interessenparteien. Und dieses Mal geht es aber um einen Drogenschmuggel und um Alimente, und das kollidiert. Ach nee, der Jan Kummer will ja auch noch zum Grundstücksamt fahren.“

Klingt diffus. Hat aber Methode. „Eine offene Dramaturgie ist genauso eine Dramaturgie“, wirft Olaf Held ein. Es geht ihm nicht darum, mit Regeln zu brechen, sondern mit Sehgewohnheiten. Das Publikum habe damit wenig Probleme, meint Held. Überzeugungsarbeit musste er stattdessen leisten, wo Publikumswirksamkeit und Vermarktung als Thema aufkamen – wie zum Beispiel an der Filmuniversität Babelsberg, wo der gebürtige Chemnitzer Drehbuch studierte. Viele seiner Drehbuchideen entstanden in Potsdam – die meisten produzierte er dann doch mit der Chemnitzer Filmwerkstatt. Sei es, weil es kein Geld gab oder die Rahmenbedingungen nicht stimmten, oder auch einfach aus Trotz, wenn er dort seine Ideen nicht so umsetzen konnte, wie er wollte. So gewann dann der Kurzfilm „Daheim“ Preise für die Chemnitzer Filmwerkstatt und nicht für die Filmhochschule – „die wollten ja nicht“, erklärt Held.

Aber es gibt noch weitere Gründe für die langjährige Zusammenarbeit mit der Chemnitzer Filmwerkstatt: „Erstens, weil wir uns schon so ewig kennen und die wissen, wenn ich mal laut bin, dass ich später auch wieder nett bin. Der andere Punkt ist, dass große Firmen auch kein Interesse am Kurzfilm haben.“ Die Filmwerkstatt und Produzent Ralf Glaser hingegen lassen Olaf Held experimentieren, und das macht sich auch bezahlt. „Short Film“ erhielt u. a. 2013 den Deutschen Kurzfilmpreis, der mit 30 000 Euro dotiert ist und ist ein Manifest für den kurzen Film, der für Held „im Großen und Ganzen viel überraschender ist als Langfilme.“

Die Protagonisten von „Short Film“ kamen aus drei Generationen der Chemnitzer Familie Kummer, die nicht nur einmal für Olaf Held vor der Kamera standen. „Jan Kummer spielt auch schon ewig mit. Die beiden Töchter haben sich regelrecht beschwert, dass sie diesmal nicht dabei sind. Die haben jetzt aber auch ihren eigenen Film gedreht und ich muss mich fast schon beschweren, weil ich in dem Film nicht mitspiele“, erzählt Held leicht spöttelnd.

So läuft das in der Filmfamilie in Chemnitz. Held arbeitet gerne mit einer Mischung aus Freunden und Profis vor und hinter der Kamera. Ein paar der Darsteller werden dann aber doch mit großem Aufwand eingeflogen, so wie der Regisseur Axel Ranisch oder Schauspieler Heiko Pinkowski, die Held noch aus Potsdamer Zeiten kennt: „Heiko hat teilweise freigenommen, um den halben Tag bei uns mitzuspielen. Der ist dann von Hamburg nach Dresden geflogen. Da haben wir ihn abgeholt. Dann hat er kurz den Pathologen gespielt und ist dann wieder zurückgeflogen.“

Der ganz normale Wahnsinn eben – ob mit Laiendarstellern oder nicht. Im Schreibprozess hat Olaf Held seine Spezies jedoch bereits im Kopf: „Die Rollen werden dann schon so geschrieben, je nachdem wer sie spielt, dass sie das auch bringen. Dieses Mal war es auch interessant mit Axel, der das von außen analysiert hatte: Der Jan Kummer spielt ja so gar nicht. Aber das wiederum mit so einer Besessenheit!“

Die Chemnitzer und die Filmwerkstatt haben einen großen Stellenwert in Olaf Helds Schaffen. In seinem langen Dokumentarfilm „Roadcrew“ spielen gleich zwei weitere filmische Leidenschaften von Held eine Rolle: Der Dokumentarfilm und die Musik. In dem Film begleitet er drei Roadies, die in die Jahre kommen und u. a. für „Die Toten Hosen“ und „Die Ärzte“ unterwegs waren.

Für seine Filmprojekte lässt Held sich gerne auch mal von lokalen Bands inspirieren: „Es sind schon immer Chemnitzer Bands, die ich frage, ob sie mir einen Titel geben. Das hat sich ein bisschen eingebürgert.“ „Neonblocks“, die Vorgängerband von „Kraftklub“, steuerte einen Track zum Kurzfilm „Petzolds Pfeifen“ bei und „Calaveras“ spielte für den kurzen Western „Duell in Griesbach“ ihre Musik ein.

Am Dokumentarfilm wiederum schätzt Held auch den Entstehungsprozess: „Ich finde der Schnitt beim Dokumentarfilm ist ein ähnlicher Prozess wie das Drehbuchschreiben – nur dass man die Textbausteine als Film hat. Es ist nichts anderes, als wenn man schreibt, löscht und wieder neu schreibt.“

Mit Bildern hat Olaf Held letztens auch die Raumfahrtgeschichte umgeschrieben. In „Apollo 11 1/2“ wird ein anderes Licht auf die erste Mondlandung geworfen. Ursprünglich als Idee für eine Lichtübung an der Filmhochschule entstanden, nutzt Olaf Held nun Archivbilder der NASA für seine Version der Geschichtsschreibung. Der Kurzfilm lief letztes Jahr bei der Mitteldeutschen Filmnacht beim FILMFEST DRESDEN und wurde – fast – Publikumsliebling. „Ich verliere immer gegen solche Gefühlsfilme“, schildert Olaf Held die Situation und stellt mit trockenem Humor fest, dass er immer den 2. Platz mache.

Das nimmt er allerdings mit gewohnter Gelassenheit, die in der Natur seines Filmschaffens liegt und ihn überhaupt zum Film brachte: „Es ging so langsame Schritte und ist eher gewachsen. Ich glaube, das ist auch das Ding, wieso ich das immer so ein bisschen gelassener angehe. Wenn das jetzt nicht klappt, dann mache ich eben was anderes.“ Das spiegelt auch Olaf Helds Biografie wider: Vor der Wende lernte er Werkzeugmacher. Nach der Wende lernte er Reiseverkehrsfachmann. Als es ihn schließlich zurück nach Chemnitz zog, kam der Film ins Spiel: Zunächst arbeitete er an der Bar in der Kulturbrauerei VOXXX, später als Vorführer und Programmgestalter im integrierten Kino. Hier ergaben sich die ersten Kontakte zur Chemnitzer Filmwerkstatt und führten dazu, dass Held 1998 seine erste Kung-Fu-Szene für Ralf Glaser schrieb und seitdem auch nicht mehr mit dem Schreiben aufhörte. Genrefilm darf es dann ruhig auch gerne sein.

Ausgeufert war aber – wenn man mal ehrlich ist – alles schon viel früher, als Olaf Held noch Filmlexika klebte: „Ich habe als Kind selbst Lexika angefertigt mit Schauspielern und Schauspielerinnen – auch mit Regisseuren. Aus Fernsehzeitungen habe ich Bilder ausgeschnitten und in alphabetischer Reihenfolge zu jedem die Filme geklebt, die er gemacht hat.“

Heute klebt Olaf Held keine Lexika mehr, sondern sitzt in Fachbeiräten von Förderern, wie der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen oder der bundesweiten Förderung der BKM.
Das lässt ihm jedoch zum Glück noch genügend Zeit, um seine eigenen Filmprojekte anzuschieben. Nach „Hammerthal – Kapitel 3“ kann er sich durchaus noch weitere Folgen vorstellen. Der vierte Teil könnte womöglich nur drei Minuten gehen – im Vergleich zu den vorherigen „Halbstündern“. Nur nicht vorhersehbar werden scheint die Devise. „Ich will mich stilistisch auch nicht so festlegen, sonst langweilt mich das letzten Endes,“ stellt Held fest.

Autor: Sabine Kues