Rechtsanwalt Henning Fangmann über die Nachteile von Buy-out-Verträgen, die Angst auf einer Blacklist zu landen und die mutigen Vorkämpfer:innen in der Filmbranche.

Auslöser: Sie betreuen Kreative, für die rechtliche Fragen nicht an erster Stelle stehen. Mit welchen Fragen kommen Filmschaffende zu Ihnen in die Kanzlei? 

Henning Fangmann (HF): Oft geht es um Vertragsgestaltung. Filmschaffende oder andere Kreative bekommen einen Vertrag von einer Filmproduktion und fragen uns, kann ich das so unterschreiben? Verkaufe ich damit einen Teil meiner Rechte, die ich eigentlich gar nicht verkaufen möchte? Oder, was gibt es da für Fallstricke in den Verträgen? Für Filmproduktionsfirmen erstellen wir solche Verträge, die sie dann mit den Kreativen aushandeln. Bei den Produktionsfirmen sind steuerrechtliche Fragestellungen immer ein wichtiger Punkt, etwa, wie man eine GbR in eine GmbH umwandelt. Wir betreuen natürlich auch Streitfälle: Da geht es meistens um verletzte Urheberrechte, wie etwa, wenn ein Film oder Werk auf einer Website abrufbar ist, obwohl der Urheber gar nicht zugestimmt hat. Oft geht es aber auch einfach ums Geld, wie etwa, wenn die Vergütung der Urheber zu niedrig erscheint.

Auf welche Fallstricke in den Verträgen müssen Filmschaffende denn achten? 

HF: Buy-out-Verträge sind ein großes Problem. Viele Filmproduktionen nutzen immer noch Buy-out-Verträge. Die sind aus Sicht der Kreativen, aber auch aus Sicht der Filmproduktion extrem riskant. 

Wieso riskant für die Firmen? Das klingt doch lukrativ. Der Kreative bekommt ein vorher festgelegtes Honorar und verkauft all seine Rechte. Damit haben die Produzenten doch freie Hand.

HF: So einfach ist es eben nicht. Das Urheberrechtsgesetz in Deutschland sieht vor, dass – wenn man die Nutzungsrechte, die man übertragen möchte, nicht genau bezeichnet – nur die Rechte übertragen werden, die auch tatsächlich für den Vertragszweck erforderlich sind. In Filmproduktionsverträgen wird oftmals nur die Herstellung des Films als Vertragszweck festgeschrieben. Die Frage, welche Rechte dann im Detail erfasst sein sollen, wird aber gar nicht beantwortet. Welche Rechte verbleiben dann aber bei der Kamerafrau beispielsweise oder der Regisseurin? Das sind strittige Punkte und die können auch zum Risiko für die Filmproduktionsgesellschaft werden, weil sie möglicherweise den Film gar nicht so verwerten können, wie sie möchten, da bestimmte Rechte gar nicht vorliegen. 

Welche Rechte können das sein?

HF: Das kann die Verwertung im Video-on-Demand oder Nebenrechte wie zum Beispiel das Buch zum Film betreffen. Wenn darüber keine explizite Regelung getroffen worden ist und der Vertrag nur die Herstellung des Films beinhaltet, dann bleiben diese Rechte im Zweifel bei den Kreativen und nicht bei den Produzenten. Im Prinzip ist es auch bei den Ausstrahlungsarten so. Wenn zum Beispiel die Verwertung im Free-TV nicht deutlich formuliert ist, dann können die Kreativen die Ausstrahlung am Ende verhindern. Wenn die Verträge also nicht sauber sind, besteht für die Filmproduktion immer ein gewisses Risiko. 

Wie steht es um das Risiko für die Autor:innen und Regisseur:innen?

HF: Oftmals sind die Honorare in solchen Buy-out-Verträgen natürlich zu niedrig angesetzt. Und diese nachzuverhandeln, ist extrem aufwendig. Zum anderen aber besteht hier wieder das Risiko, dass die Kreativen möglicherweise Rechte vergeben, die sie eigentlich gar nicht vergeben wollen. Deshalb ist die Vertragsgestaltung enorm wichtig, und da müssen die Beteiligten ganz genau hinschauen, was in den Verträgen steht.

Haben Sie das Gefühl, dass Filmschaffende gut juristisch aufgestellt und informiert sind? 

HF: Ich kann nicht für jeden sprechen. Aber in der Praxis ist es tatsächlich so, dass die Produktionsfirmen in der Regel besser juristisch beraten sind und die besseren Verträge haben. Das liegt auch daran, dass da einfach mehr Geld ist, sich juristisch beraten zu lassen. Gerade bei kleineren Produktionen, wie Low-Budget- und Indie-Produktionen werden Verträge oftmals nur mündlich geschlossen. Oft verstehen sich die einzelnen Mitwirkenden am Film persönlich gut. Deshalb wird oft darauf verzichtet, Stoffentwicklungs- oder Produktionsverträge zu schließen – jedenfalls nicht in schriftlicher Form. Das kann einem aber natürlich später auf die Füße fallen, weil nicht dokumentiert wird, welche Rechte genau übertragen werden sollten. Und es mag zwar sein, dass man sich in dem Moment einig war. Aber ob das dann in fünf oder zehn Jahren immer noch so ist, das steht auf einem ganz anderen Blatt Papier.

Filmemachen bedeutet ja auch immer, den Mitwirkenden zu vertrauen. Aber welche Konsequenzen können fehlende Verträge am Ende haben?

HF: Oft fehlen dann einfach klare Rechteketten. Dann kann es schwierig werden, den Film weiter zu vermarkten und zu verwerten. Vertriebe oder Verleiher wollen am Ende die Rechtekette nachgewiesen haben. Wenn dann untereinander nur mündliche Vereinbarungen geschlossen wurden und nicht alle Mitwirkenden kooperieren, kann das Werk auch schnell mal in der Schublade verschwinden. 

Noch mal zurück zu den niedrigen Honoraren. Die Drehbuchautorin Anika Decker steht derzeit im Rampenlicht, weil sie gegen Til Schweigers Firma Barefoot Films und die Warner Bros. Entertainment GmbH klagt. Sie ist der Ansicht, dass ihr noch Anteile an den Einnahmen der Komödien „Keinohrhasen“ und „Zweiohrküken“ zustehen, die kommerziell enorm erfolgreich waren. 

HF: Den Fall verfolgen wir mit großem Interesse. In dem Fall von Anika Decker geht es darum, gerichtlich nachzuprüfen, ob die Vergütung, die sie erhalten hat, angemessen war. Frau Decker hat dazu eine sogenannte Stufenklage erhoben. Um die Angemessenheit zu überprüfen, muss das Gericht ja auch erst mal wissen, wie viel Geld mit dem Film überhaupt verdient wurde. Da besteht ein gesetzlicher Auskunftsanspruch der Urheber gegenüber dem Lizenznehmer. Diesen Auskunftsanspruch hat sie jetzt beim Landgericht Berlin durchgesetzt. Barefoot Films und Warner Bros. sind dazu verpflichtet, offenzulegen, wie viel Geld sie mit dem Film tatsächlich verdient haben.

Kann sie denn rechtlich überhaupt Geld nachfordern? Immerhin hat sie ja vorher sicherlich im Vertrag das Honorar vereinbart.

HF: Wenn diese Auskunft erfolgt ist und ein Missverhältnis offensichtlich ist, kann sie tatsächlich eine Nachvergütung verlangen. Die rechtliche Grundlage dafür ist das Urheberrechtsgesetz. Darin heißt es nämlich, dass der Urheber Anspruch auf eine angemessene Vergütung hat. Und wenn die Vergütung, die vereinbart wurde, im Verhältnis zu den erwirtschafteten Verträgen nicht angemessen war, dann hat man gegenüber seinen Vertragspartnern den Anspruch, den Vertrag anzupassen.

Wenn das so ist, bräuchten sich ja Autor:innen keine Sorgen zu machen. Dann kriegen sie ja rückwirkend immer die angemessene Summe, oder?

HF: Das Problem ist, dass man sich diese Nachvergütung in der Regel aber erstreiten muss, weil die wenigsten Produktionsfirmen im Nachgang dazu bereit sind, den Vertrag noch mal anzupassen. Schon allein die Offenlegung des Gewinns ist problematisch. Von einem Privatsender wurde uns gegenüber der Anspruch etwa als Bullshit bezeichnet und gesagt, dass sie diesen aus Prinzip nicht erfüllen. Sie sagten auch, dass unsere Mandanten den Sender schon verklagen müssten, aber dass das kein Gericht mitmachen würde. Diese Auffassung ist in vielen Medienunternehmen allgegenwärtig. Denn der Anspruch steht zwar im Gesetz, aber bisher hat ihn kaum jemand geltend gemacht.

War denn überhaupt schon mal jemand erfolgreich? 

HF: In jüngster Zeit war das Jost Vacano, der Kameramann von „Das Boot“. In seinem Buy-out-Vertrag war ein Honorar von 200.000 Mark festgesetzt. Er hatte all seine Rechte abgegeben. Der Film wurde ein Riesenerfolg im Kino, auf Video und DVD und er wird ja immer noch im Fernsehen gezeigt. Vacano hat gegen die Fernsehsender, den Verleiher und den Videovertrieb tatsächlich bis zum Bundesgerichtshof geklagt und auch Nachvergütung in Anspruch genommen. Er hat fast eine Million Euro im Nachhinein dazu verdient.

Ist er eine Ausnahme?

HF: Im Grunde ja. Er ist 86 Jahre alt und am Ende seiner Kameramannlaufbahn oder zumindest in einem Alter, in dem er nicht mehr zwangsläufig auf Aufträge angewiesen ist. Deswegen ist es toll, dass Anika Decker das jetzt durchzieht: Eine junge Frau, die gerade in der Blüte ihrer Berufslaufbahn steht und sich trotzdem traut, gegen die großen Player vorzugehen, scheinbar ohne Angst auf irgendeiner Blacklist zu landen. Ein anderes Beispiel ist die Schauspielerin Nina Vorbrodt. Sie hat in der Comedysendung „Sechserpack“ mitgespielt und festgestellt, dass die Sendung in hoher Schlagzahl ausgestrahlt wurde, sie aber nur einen kleinen Betrag für ihre Mitwirkung bekommen hat. Jetzt ist sie gegen SAT.1 vorgegangen und hat zumindest diesen Auskunftsanspruch im ersten Schritt zugesprochen bekommen. Das Interessante daran ist, dass jetzt mehr und mehr Kreative offensichtlich auch während ihrer Berufslaufbahn den Mut fassen, dagegen vorzugehen. Das hat großen Wert für die Fairness und das Gleichgewicht zwischen den Vertragspartnern in dieser Branche. So kann es leichter werden, auf Augenhöhe zu verhandeln.

Gibt es dennoch Lücken im Gesetz, die Kreative benachteiligen?

HF: In erster Linie handelt es sich um ein Durchsetzungsproblem. Das Urheberrechtsgesetz sieht ganz eindeutig vor, dass die Vergütung der Urheber angemessen sein muss. Der Begriff ist natürlich auslegungsbedürftig. Das Problem aber ist die Angst. Oft sind Kreative freischaffend und abhängig von den Aufträgen der Sender und Firmen. Wenn nachverhandelt werden soll, wird die Arbeitsbeziehung oft sofort beendet. Das spiegelt eben dieses strukturelle Ungleichgewicht wider. Auf der einen Seite stehen die Sender und Produktionsfirmen mit ihrer großen Markt- und Verhandlungsmacht und auf der anderen Seite stehen die Kreativen, die dem auf Gedeih und Verderb ausgesetzt sind.

Gibt es da eine Lösung, wenn man keinen Namen hat wie Anika Decker? 

HF: Es gibt ja entsprechende Branchenverbände, einige bieten auch rechtliche Beratung an oder setzen sich für die Verhandlung gemeinsamer Vergütungsregeln ein. Die AG Dok zum Beispiel konnte gerade erst mit der ARD neue Tarife für die Mitwirkenden an Dokumentarfilmen aushandeln. Das ist erfreulich. Es ist aber auch wichtig, dass Filmemacher:innen mit einem gewissen Selbstbewusstsein in eine Vertragsverhandlung reingehen. Sie sollten sich nicht unter Wert verkaufen und genau überlegen, welches Honorar sie aushandeln, damit es für sie auch wirtschaftlich ist. Leider ist das immer noch oft ein Wunschdenken. Ganz wesentlich kann auch neben der Vereinbarung einer Pauschalvergütung eine prozentuale Gewinnbeteiligung sein. Dadurch kann man sicherstellen, dass man zumindest zu einem gewissen Teil an dem Erfolg, den der Film später haben wird, auch partizipiert. 

Sehr lange waren ja auch Rückstellungsverträge geläufig. 

HF: Wir hatten tatsächlich sogar im letzten Jahr noch so einen Fall. Diese Verträge kann man nicht ruhigen Gewissens abschließen. Das funktioniert nicht mit den gesetzlichen Vorgaben. Und das ist ja auch für den Markt überhaupt nicht wünschenswert, dass solche Verträge weiterhin zirkulieren. Sie machen den Markt kaputt.

Kreative investieren oft in die Kunst und nicht in die rechtliche Absicherung. Ist das ein Fehler?

HF: Ja – denn wer seine Vertragsbeziehungen nicht in Ordnung hält, steht, wenn es hart auf hart kommt, mit leeren Händen da. Es könnte sich da gegebenenfalls auch der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung lohnen. Man muss dann aber immer genau gucken, was die Rechtsschutzversicherung alles abdeckt. Manche decken zum Beispiel keine Rechtsberatung ab, sondern nur Rechtsstreitigkeiten. Wenn ein Störgefühl da ist, lohnt sich der Gang zum Anwalt aber eigentlich immer. Wir finden mit Filmschaffenden immer vernünftige Lösungen, um die diesbezügliche Barriere runterzusetzen und die Kosten kalkulierbar zu halten.

Zur Person: 

Henning Fangmann, geboren 1988, studierte Jura in Leipzig und Budapest und arbeitete später für in der Rechtsabteilung eines Medienunternehmens. Seit dem Jahr 2019 ist er als Rechtsanwalt für die Leipziger Anwaltskanzlei Spirit Legal tätig. Fangmann hat sich auf das Urheber- und Medienrecht mit besonderem Fokus auf das Filmrecht spezialisiert. 

Zur Kanzlei:

Spirit Legal ist eine Leipziger Anwaltskanzlei mit verschiedenen Schwerpunkten, einer davon ist das Urheber-, Medien- & Presserecht. Zu den Klienten gehören Kreative, wie Fotograf:innen, Künstler:innen, Produzent:innen oder Filmschaffende und Autor:innen. 

Das Interview führte Claudia Euen für den AUSLÖSER 1/2021.